Mein Vater wird noch die ganze Welt erobern und mir nichts zu tun übriglassen. (Alexander der Große)

Der Kriegsherr

UA: 22.03.2018 / Orangerie Theater im Volksgarten, Köln

Seit Jahrtausenden führt der Mensch Krieg. Zerstörung, Elend, Verzweiflung, Tod – lernen wir nichts dazu? Oder sind Kriege gar ein notwendiges Übel, um langfristig stabile Gesellschaftsordnungen zu errichten? 
In einem Parforce-Ritt durch die Weltgeschichte befragt THEATER 1000 HERTZ einige der größten Kriegsherren nach ihren Motiven – die Bühne betreten unter anderem Alexander der Große, Napoleon Bonaparte und Katharina II. von Russland.
Indem wir in die Vergangenheit blicken, schärfen wir unsere Sicht auf die Gegenwart und die Zukunft. Kann es eine Welt ohne Krieg geben? Es liegt an uns.

mit Christina Vayhinger / Dramaturgie: Karoline Bendig / Coaching: Heidrun Grote / Ausstattung: Vanessa Lauman / Puppenbau: Jan Hochbruck / Lichtdesign: Katja Winke / Assistenz: Eunhye Byun / Text, Inszenierung: Christina Vayhinger

PRESSESTIMMEN

„Männer ziehen in die Schlacht, Frauen schicken sie dorthin. Unterm Strich ist das Ergebnis gleich. Wo Kriege stattfinden, wird gestorben und gelitten. Die Schneise der Zerstörung zieht sich vom Altertum bis in unsere Zeit. In ihrer Ein-Frau-Revue »Der Kriegsherr« lässt Christina Vayhinger historische Personen lebendig werden, die zum Töten aufriefen. Donnerstag war Premiere in der Orangerie.

»I am a warrior and this is my song« knallt es basslastig aus den Lautsprechern. Martialisch gewandet, mit Springerstiefeln, schwarzer Lederhose und Jacke, das dunkle Haar zurückgekämmt, über den Augen einen Tarnbalken, stürmt Vayhinger mitten hinein in die Musik gewordene Kampfhandlung. Um sie herum auf dem Boden graue Lumpenbündel mit menschlichen Formen.
Der Griff zum Speer, das Drapieren einer Flagge oder das Nippen an einem Teetässchen genügen, um sie in Alexander den Großen, Elisabeth I. von England oder Katharina II. von Russland zu verwandeln, die zu ihren jeweiligen Kriegen aufrufen. Dazwischen Einspieler von Kinderstimmen, Regen, Gewitter, Pferdewiehern, Donovans »Universal Soldier« oder Barry McGuires »Eve of Destruction«.

Robert E. Lee und Ulysses S. Grant, einst im Amerikanischen Bürgerkrieg erbitterte Gegner, treten als Puppen auf. Gemeinsam betrinken sie sich und kommentieren die ewige Maschinerie des Mordens. »Es ist nur gut, dass der Krieg so schrecklich ist – wir würden sonst vielleicht Gefallen daran finden«, resumiert Lee. In ihrer Vielgestaltigkeit und -stimmigkeit leistet Vayhinger ganz Großartiges. Riesenapplaus für ein packendes Plädoyer gegen den Krieg.“

(Kölnische Rundschau, 03/2018)

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„Von Alexander dem Großen bis Napoleon Bonaparte: Christina Vayhinger geht in ihrem Ein-Personen-Stück »Der Kriegsherr« im Orangerie-Theater den großen Anführern auf die Spur und fragt sich: Lernen wir nichts aus der Vergangenheit? Brauchen wir sogar den Krieg?

Kinderstimmen, spielerisches Geraufe aus dem Off. Die Bühne (von Vanessa Laumann) ist ein Leichenfeld, übersät mit Körpern, die Kriegen zum Opfer gefallen sind. Christina Vayhinger, die vom Text über die Regie zum Schauspiel fast alles übernimmt, ist von Kopf bis Fuß in schwarzes Leder gekleidet. »Ich bin ein Krieger und das ist mein Song«, singt sie, schreit sie. Was nach Heavy Metal klingt, ist ein Lied, das die Kriegsstimmung der US-Soldaten motivieren soll.

Doch erst einmal geht es zurück in vorchristliche Zeiten: Vayhinger schlüpft in die Rolle Alexander des Großen, des Königs von Asien. Dann spult sie wieder ein paar Jahrhunderte vor, wechselt zu Katharina der Großen. »Ich mag Kriege auch nicht besonders, aber sie waren nötig, um Russland stark zu machen«, sagt sie, fast so beiläufig, wie sie von ihren vielen Liebhabern berichtet. Denn der Krieg, der scheint eine der wenigen Konstanten der Menschheitsgeschichte zu sein.

 »Krieg ist ein Naturzustand«, sagt schließlich auch Napoleon Bonaparte. Mit 600.000 Mann zog er in den Russlandfeldzug. Hier ein paar Tausend, da eine halbe Million: Die Opfer, die Kollateralschäden wirken in Vayhingers Stück so abstrakt, dass sie so alltäglich werden, wie sie es tatsächlich sind. Vayhinger schlüpft dafür nicht nur in die Rollen diverser Kriegsherren (und -frauen), sie wird auch zur Puppenspielerin: So spielt sie Robert E. Lee, Oberbefehlshaber der Südstaaten-Armee im Amerikanischen Bürgerkrieg, der mit Ulysses E. Grant, der die Nordstaaten-Streitkräfte anführte, Whisky trinkt. Die Puppen von Jan Hochbruck kommentieren wie ein griechischer Chor das Treiben auf der Erde. »Land gegen Land, Staat gegen Staat, am Ende verlieren wir alle«, sagt der eine lakonisch. Die Puppen lockern das Stück auf, erinnern mit ihrem Sarkasmus an Waldorf und Statler aus der Muppet-Show.

Damit nicht genug: Christina Vayhinger führt eine Marsch-Choreographie auf, die durch geschickte Lichtsetzung und passende Musik besonders bedrohlich und erhaben wirkt. Später wird sie zur Rapperin, die nach dem 11. September den Krieg gegen den Terror erklärt. Es entsteht eine Collage der Kriegsgeschichte, die bis heute reicht.

Denn heute, wo Drohnen ferngesteuert Ziele bombardieren können, wo ein Atomkrieg erschreckend wahrscheinlich wird und wo Menschen vor Krieg fliehen und Schutz fernab ihrer Heimat suchen, da sind Kriege in unseren Köpfen doch erstaunlich weit weg. Doch die Kriegsherren unserer Zeit, die kennt die Welt auch heute schon.“

(report-k, 03/2018)

Fotos: © Maik Teriete