A: Man müsste was tun! – B: Ja, man müsste was tun.

SALIGIA. Todsünden revisited

UA: 28.07.2023 / Friedenskirche, Köln-Ehrenfeld

+++ nominiert für den Kölner Theaterpreis 2023 +++

Seit Jahrhunderten sind sie tief im abendländischen Denken verwurzelt: die sieben Todsünden. Welche Rolle spielen sie heute noch? Kann es ohne Neid und Habgier wirtschaftliches Wachstum geben? Ist Wollust nicht etwas Wunderbares, Hochmut anerzogen, Völlerei längst aus der Mode? Gibt es nicht genügend Gründe, zornig zu sein? Oder ein Recht auf Trägheit? In einer Collage, die Schauspiel, Gesang und Tanz zusammenführt, geht THEATER 1000 HERTZ diesen Fragen nach und erzählt über moderne Verfehlungen, Sehnsüchte und Ängste.

VON UND MIT Elke Bartholomäus, Claudia Braubach, Alice Charlotte Janeczek, Christina Vayhinger
INSZENIERUNG Ensemble | KÜNSTLERISCHE LEITUNG Christina Vayhinger
DRAMATURGIE Sandra Nuy | AUSSTATTUNG Vanessa Laumann | LICHTDESIGN Raphael Heym
PRODUKTIONSASSISTENZ Henrike Kirsch | 

PRESSESTIMMEN

„Die neue Produktion von Theater 1000 Hertz, die jetzt in der Ehrenfelder Friedenskirche uraufgeführt wurde, ist grandios.
Lässt sich Saligia auf die heutige Zeit übertragen? Fragten sich Vayhinger und ihre Mitstreiterinnen und haben starke Texte aus Büchern, Filmen, Reden, starke Musik und starke Bilder gefunden. Der Kirchenraum bietet die perfekte Kulisse für diese Neubetrachtung alter Sünden.

Unter schwarzen Kutten mit Kapuzen halten Mönche Einzug. Um sich dann in glamouröse Models zu verwandeln, die auch mal, in absurder Verkehrung der Haute Couture, die Tüte eines Discounters auf dem Kopf oder ein Kabelgewirr um den Hals tragen. Die Kirche wird Catwalk, die Bühne Jahrmarkt der Eitelkeiten. Um den Neid zu illustrieren, reichen abschätzende Blicke zu Robert Schumanns „Von fremden Ländern und Menschen“: Ist da eine, die schöner ist als ich? Ist es ein Zeichen von Trägheit, wenn ich lieber Künstliche Intelligenz befrage, als Dinge selbst in Erfahrung zu bringen? Meldungen von Suizid und von finanziellem Ruin bezeugen moderne Habgier, zu Piazzollas „Tango Escualo“ beginnt das große Fressen: als Balgerei um eine Bahn aus Goldlamée, die alle sich einverleiben, in sich hineinstopfen wollen. Wollust kommt dezent, aber ungemein erotisch daher, mehr angedeutet als vollzogen, im Pas de deux von je zwei Frauen, die einander begehren und umgarnen.

Den roten Faden bildet die Geschichte von Edith Rosenbaum, die überlebte, aber deren zwölf Schrankkoffer versanken. Als dekadente Erscheinung von Janeczek perfekt verkörpert und gesprochen.

Zwei Schauspielerinnen (Christina Vayhinger und Alice Charlotte Janeczek), eine Sängerin (Elke Bartholomäus) und eine Tänzerin (Claudia Braubach) haben gemeinsam ein Stück entwickelt, das rundum begeistert, mitreißt, sprach- und atemlos macht.“

(Kölnische Rundschau 08/2023)

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„In einer Collage aus Schauspiel, Gesang und Tanz bewegt sich das vierköpfige Ensemble durch den Abend. Philosophische Texte von Thomas Hobbes bis Seneca werden neu verortet, Filmzitate von Martin Scorsese, Stanley Kubrick bis zu François Truffaut tauchen auf, Gudrun Ensslins fiktive Stammheimrede aus der Feder von Christine Brückner klingt an und Kapitalismustheorien zwischen Adam Smith und Milton Friedman werden an Krisenszenarien der Weltwirtschaft neu vermessen.
(…)
Alle Sinne werden in dieser Inszenierung, die Christiane Vayhinger live am Piano begleitet, angesprochen, so dass sich die Auseinandersetzung mit der Thematik mal analytisch. mal assoziativ oder eher unterbewusst vollzieht. Im musikalischen und szenischen Potpourri wandelt sich ein eben noch gregorianisch anklingender Mönchsaufzug im nächsten Moment in eine originelle Modenschau, die den Konsumwahn karikiert. Der Trägheit der Menschen im Umgang mit der Technik wird pointiert aufgegriffen, wenn das eigene Denken und Handeln auf eine KI übertragen wird, die auf den sinnigen Namen „Acedia“ hört. Dass die(Hab)-Gier nicht geil ist, sondern Menschen in den Abgrund treibt, beleuchtet eine eindringliche Szene, in der vier Suizidberichte vorgetragen werden, die sich in Folge der Finanzkrise 2008 zugetragen haben. Am Ende des Reigens voller Sehnsüchte, Verfehlungen und Ängste richtet sich der Blick der vier Frauen aber nicht gegen den Himmel. Keine Hilfe von Oben wird erfleht. Vielmehr wird der Schulterschluss gesucht, ahnend, dass nur gemeinsames und solidarisches Handeln etwas bewirken vermag.“

(Kölner Stadtanzeiger 08/2024)

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„Christina Vayhinger und ihre drei Mitsünderinnen arbeiten mit starken Motiven und Motivationen: Um die Hybris und den Hochmut des Menschen gegenüber der Natur zu verdeutlichen, zieht sich der Bericht einer Titanic-Überlebenden wie eine Girlande durch die Inszenierung.
Von der Kanzel herab werden Philosophen zitiert, und um Kapitalismuskritik geht es gleich in mehreren Szenen. Das ist sehr erhellend, gedanklich spannend, überhaupt nicht langweilig und dramaturgisch innovativ.“

(Kultura Extra, 07/2023)

Fotos: © Marlene Mondorf